Kinder der Schule Milova malen und schreiben ihre Träume
Eine Hilfsaktion in Kooperation mit www.baraq.de.
Projektwoche "Leben der Roma" mit Besuchen und Gesprächen
Konkrete Analyse der Lebensverhältniss vor Ort zur Diskussion und Planung notwendiger, sinnvoller Hilfsmaßnahmen, unter Einbindung der Betroffenen. Im Mittelpunkt stehen extrem arme Wohnsiedlungen in Lipova, Soimos, und
Milova.
Die Projektwoche vom 10.05.-17.05.2014 wurde in Zusammenarbeit mit "baraq" durchgeführt. Es handelt sich hier um ein schwieriges und langfristig angelegtes Hilfsprojekte, quasi für die "ärmsten der Armen".
Weitere, gezielte Einzel-Hilfen
Natürlich wurden auch im Jahr 2014 wiederum eine Reihe von gezielten Einzel-Hilfsmaßnahmen durchgeführt. Dies betraf Menschen in besonders schwierigen Lebenssituationen durch Not und Krankheit.
Zum großen Teil werden diese Einzel-Hilfsmaßnahmen von unserem Sozialmagazin bearbeitet und realisiert. Aber bei einigen war auch unsere zusätzlich unterstützende Hilfe erforderlich.
Einzelmaßnahmen sind zum Beispiel:
- Lebensmittelhilfe in Notfällen
- Medikamentenhilfe in Notfällen
- Heizmaterial für die Winterzeit
- Schulmaterialhilfe
- Kleiderhilfe
- Behelfsmittel-Hilfe, wie Rollstuhl, Rollator, Gehhilfe usw.
1. Tag - Montag, 12.05.2014
Das Baraq-Team, Jannique und Dominique ist im Zug (4:46 Uhr), fährt nach Frankfurt zum Flughafen. Von dort geht es nach Timisoara in Rumänien.
Wir sind echt gut drauf und freuen uns auf unser neues Projekt.
Wir sind um 13,25 Uhr in Timisoara gelandet. Willi Gehring vom Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreis Saarland e.V. und der rumänische Hilfsprojektleiter des Vereines, Lucian Fenesan (er ist auch in den nächsten Tagen unser Dolmetscher), erwarten uns. Vom Flughafen geht es rund 50 km zu der Kleinstadt Lipova mit rund 11.000 Einwohnern. Der Verein hilft uns das Projekt hier vor Ort zu organisieren.
Nach einer kurzen Erfrischungspause in der Pension Favorit, wo uns Nello Braniscan herzlich willkommen hieß, ging es auch sofort los. Um 15 Uhr war bereits der Besuch in einer am Stadtrand liegenden Wohnsiedlung in Lipova , Projekt Roma-Familien.
Wir trafen den "Chef" der Siedlung und er begleitete uns. Die Menschen hier sind sehr freundlich und zeigten uns wie sie leben.
Natürlich sehr arm. Keine Kanalisation, kein Wasser. Manche sauberer, andere weniger.
Schaut Euch die Fotos an. Sie versammelten sich alle und wir erklärten ihnen unser Projekt.
Sie wollen alle mitmachen und es ist eine super Stimmung. Aber diese Menschen hier wollen nicht "Roma" genannt werden, da es einen Schnaps gleichen Namens hier gibt, so heißt es. Doch "Zigeuner", thigan auf rumänisch. Das sei von Familie zu Familie unterschiedlich.
Wir haben hier nur herzliche Menschen getroffen und unsere Uhren waren auch noch am Handgelenk. Er herrschen so viele Vorurteile, Voreingenommenheiten, Pauschalurteile.
In unserer Pension werden die Türen nicht verschlossen und in Deutschland müssen wir sie zwei mal verschließen.
Am Abend ging es zu einem guten Freund des Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreises. Dan Mian ist Abgeordneter im Kreisconsilium Arad. Auch der Bürgermeister der Stadt Lipova, Mircea Jicichi, war an diesem Abend dabei. Es wurden gegenseitig Meinungen und Informationen ausgetauscht. Abgeordneter und Bürgermeister wollten viel über unser Projekt wissen und sie begrüßten unsere Initiative und das Projekt.
Die Frau des Hauses hatte typisch rumänisch gekocht....lecker. Es war ein schöner Abschluss unseres ersten Tages.
2. Tag - Dienstag, 13.05.2014
Früh mußten wir raus...Frühstück ab 7 Uhr. Und direkt um 8,45 Uhr fuhren wir in eine Roma-Siedlung im Stadtteil Soimos von Lipova. Auch dort versammelten sich die Bewohner, wir redeten mit ihnen und erklärten unser Projekt.
Viele bedankten sich hier bei uns und waren sehr glücklich, dass es Menschen gibt, die an sie denken und von so weit herkommen, um mit den Roma solch´ ein Projekt zu gestalten. Einer der Männer erzählte uns, dass es so viele Hilfspakete aus staatlicher Hilfe für Roma gäbe, aber keines sei bisher bei ihnen angekommen. Es würde in andere Kanäle fließen, aber nicht zu den Ärmsten. "Die Ärmsten", die konnten wir hier selbst sehen.
Die Menschen machen einen sehr traurigen Eindruck und es fehlt ihnen offenbar die Hoffnung für die Gegenwart und für die Zukunft.
Wir fragten, wie es mit der Bildung, der Schule der Kinder aussähe? Ja, sie gehen fast regelmäßig in die Schule, da sie sonst kein Kindergeld bekommen, welches 10 Euro/pro Monat pro Kind beträgt. Denn über die Schulen hofft man, den Kindern eine Grundlage für die Bildung und somit das Leben mitzugeben. Zum Beispiel auch Werte wie Verantwortung, regelmäßiges Aufstehen, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Schreiben , Lesen lernen usw.
Wissen macht selbstbewußt, flexibel und weckt Visionen für die Zukunft.
Nach 2 Stunden verlassen wir die Roma-Siedlung. Es geht zurück in unser Quartier. Wir und die anderen Freunde des Freundschaftskreises haben jetzt eine Pause bis 15 Uhr. Dann kommt Frau Doris Pack, die inzwischen von Lucian und Willi am Flughafen Timisoara abgeholt wird. Frau Pack ist Europaabgeordnete aus dem Saarland. Sie befaßt sich seit mehr als 20 Jahren mit den Problemen der Menschen in den Balkanländern und Rumänien und Bulgarien. Bereits im Jahr 2003 hat sie auf Initiative des saarländischen Freundschaftskreises ein Europa-Institut an der Universität "Aurel Vlaicu" in Arad (ca. 30 km von Lipova entfernt) gegründet. Frau Pack soll am morgigen Tag einen Ehrendoktortitel der Universität verliehen bekommen.
Wir wurden herzlich von den Mitglieders des Vereines dazu eingeladen am Festakt teil zu nehmen.
Heute ist aber erst der Empfang im Rathaus Lipova durch Bürgermeister, Vizebürgermeister, und Abgeordneter.
Danach fand ein Besuch in der Basilika Maria Radna (ein EU-finanziertes Projekt zur Kultur- und Tourismusförderung). Wir wurden von Domkapitular Andreas Reinholz empfangen und durch die Basilika geführt. Anschliessend gab es Kaffee und den traditionellen "Tuika". Bei dieser Gelegenheit haben wir Herrn Reinholz für unser Projekt gewinnen können. Er war begeistert und erzählte, dass am 7. September Hunderte von Sinti und Roma nach Maria Radna kämen. Es sei ein Pilgertag zur Verehrung der Mutter Gottes. Er werde an diesem Tag organisieren, dass unsere Projektflyer dort auch verteilt werden; das fanden wir super!!
Von der Basilika Maria Radna, Marien-Verehrungsort vieler Roma-Familien, ging es zum Krankenhaus Lipova. Es wird quasi von "Kopf bis Fuß" saniert. Und das mit großer Hilfe aus dem Saarland durch Unterstützung vom Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreis Saarland e.V., der dazu einige saarländische Sozialeinrichtungen als Sponsoren gewinnen konnte. Beeindruckend, wie gebrauchte Sachen, die noch in einem guten Zustand sind, ein Krankenhaus in Rumänien positiv für die Patienten verändern können. Da konnte das Baraq-Team nur staunen, was von Saarländern in Lipova geleistet wird und was der Freundschaftskreis schon in den letzten rund 25 Jahren an Hilfe organisiert und realisiert hat. Von unserer Seite allen Respekt! Anschliessend gings zum Abendessen.
3. Tag - Mittwoch, 14.05.2014
Heute fuhren wir schon kurz nach dem Frühstück nach Arad zur Universität "Aurel Vlaicu", ca. 16.000 Studenten/innen. Frau Doris Pack bekam heute Vormittag den Doktortitel verliehen. Es war wirklich interessant und spannend. Der Deutsch-Rumänische Freundschaftskreis Saarland wurde auch ausgezeichnet. Für Willi Gehring und seine anwesenden Freunde aus dem Saarland war das eine Überraschung. Für uns war es etwas besonderes dabei zu sein und zur Delegation dazu zu gehören.
Natürlich nutzte das Baraq-Team auch die Gelegenheit, mit dem Dekan der theologischen Fakultät der Universität über unser Projekt zu sprechen. Zur Zeit sind nicht viele Roma an der Universität. Aber er würde veranlassen, dass sie über dieses Projekt erfahren und glaubt auch, dass sie sicherlich mitmachen.
Es gab einen sehr beeindruckenden Festakt in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula der Universität für Frau Doris Pack. Eine frohe und optimistische Stimmung lag über dem Programm. Es war für uns beeindruckend auch hier erfahren zu können, wie viele Hilfe schon seit Jahren aus dem Saarland geleistet wurde. Und in allen Reden wurde auch der Dank in das Saarland zum Ausdruck gebracht.
Nach einem dem Festakt folgenden Umtrunk waren wir schon wieder unterwegs zu einer weiteren Roma-Wohnsiedlung. Von Arad fuhren wir über Lipova (kurze Kleiderwechsel-Pause) zur Gemeinde Conop, in das Dorf Milova, ca. 20 km von Lipova entfernt im Murestal. Dort trafen wir den orthodoxen Preoten der Gemeinde, genannt Gisi, und Tuti, einen ehrenamtlichen Helfer und Berater des Freundschaftskreises, der selbst mit seiner Familie in der Roma-Siedlung wohnt.
Willi Gehring erklärte mit Hilfe unseres Dolmetschers Lucian Fenesan unser Baraq-Projekt. Der Preot (Pfarrer) war sehr interessiert und aufgeschlossen. Er erklärte sich bereit mit den Jugendlichen der Roma-Wohnsiedlung unser Projekt zu gestalten. Im Pfarrhaus und der Kirche will er dazu mehrere Aktionen durchführen. Malblöcke, Buntstifte usw. wird er dafür vom Freundschaftskreis bekommen, weil anders die Jugendlichen nicht an dem Wettbewerb teilnehmen können. Sie sind so arm, dass sie keine Stifte und Papier haben.
Nach dem Gespräch besuchten wir einzelne Häuser ("Hütten"). Es hat an diesem Tag unglaublich viel geregnet und teilweise war alles überschwemmt. Dramatisch: Man konnte die Armut der Menschen dort sehen und fühlen. Es war wirklich sehr schmutzig, aber wie soll es auch anders sein. Keine Kanalisation, kein Wasser, kein Strom. Wir hatten sowas noch nie gesehen. In vielen Diskussionen an diesem Abend und den Tagen darauf, fragten wir immer wieder, wieso die Regierung nichts dazu beiträgt, dass die Lebensverhältnisse für die Menschen verbessert werden. Man antwortete uns, dass die Regierung "sie loswerden möchte", die Romas. Je schlechter es ihnen ginge, desto mehr drängt es sie das Land zu verlassen.
An diesem Punkt können wir nur über den Einsatz des Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreises Saarland glücklich sein, welcher hier vor Ort, wirklich sehr viel leistet, damit es den Menschen dort Schritt für Schritt besser geht.
Am Abend trafen wir uns mit rumänischen Unterstützern des Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreises zu einem Glas (...oder zwei) rumänischen Rotwein. Die Eindrücke des Tages ließen uns aber nicht los und so kam es zu einer Reihe von sehr informativen Gesprächen mit den rumänischen Freunden. Willi Gehring überreichte an diesem Abend noch eine Geldspende an das Haus Integra, Hilfe für behinderte Kinder. Auch ein Hilfsprojekt der Saarländer.
4. Tag - Donnerstag, 15.05.2014
Es ging sofort nach dem Frühstück los. Wir fuhren in das Dorf Covasint, ca. 30 km von Lipova entfernt. Dort wurde unsere Gruppe vom Ortspolizeichef Ioan Slaina und seinem Mitarbeiter empfangen. Seit rund 20 Jahren gehört er zum Freundschaftskreis und unterstützt die Arbeit der Saarländer.
Sie werden uns heute den ganzen Tag begleiten. Was für ein tolles Gefühl.
Zuerst besuchten wir die Schule des Dorfes und versammelten uns alle im Besprechungsraum der Direktorin. Nach und nach kamen immer mehr Lehrer/innen dazu. Und ganz toll: Es gab frische Erdbeeren aus eigener Ernte der Direktorin.
Wir fragten, wieviel Roma-Kinder in ihrer Schule sind. Von 270 Kindern sind es nur 13 Roma-Kinder! Die Gemeinde zählt rund 2.500 Menschen, davon sind etwa 25 Prozent Roma. Also müßten ja viel mehr Roma-Kinder in der Schule sein. Wir fragten, wo der Rest der Kinder sich denn aufhalten würde. Die meisten, so hieß es, seien in England, da dort das Sozialsystem leichter sei, um Kindergeld zu bekommen. So auch in anderen Ländern wie Italien, Frankreich, Spanien und so weiter......Neuerdings stünde auch Australien auf der Liste. Viele Kinder besuchten deshalb die Schule nicht von Anfang an, da sie für die Eltern im Ausland sehr nützlich seien......ja, und diese Aussage schockierte uns.......bis zum 13. Lebensjahr straffrei ausgehen. Wir brauchten uns nicht viele Gedanken zu machen, was der Hintergrund dieser Aussage ist.
Die Mädchen werden schon früh, sobald sie auf der Welt sind, zwangsverheiratet und dürfen nur bis zur vierten Schulklasse in die Schule gehen (....von den Eltern aus, wenn überhaupt). Mit ca. 12 Jahren werden sie meistens in den Haushalt der Schwiegereltern abgegeben und müssen dort arbeiten....und sie wachsen ab diesem Zeitpunkt mit ihrem zukünftigen Ehemann auf.
Sie kennen es nicht anders. Das ist ihre Kultur. Nicht wie bei uns, dass wir uns verlieben und unseren Mann oder Frau selbst aussuchen dürfen. Die Jungs dürfen die Schule in der Regel bis zur achten Klasse besuchen. Wenn sie die überhaupt erreichen. Die würden nur in die Schule gehen, damit sie lesen und schreiben können, damit sie den Führerschein bekommen können.
Wir fragten die Direktorin, ob sie sich nicht erkundige nach den anderen schulpflichtigen Kindern. Natürlich, aber sie bekämen immer zur Antwort: mein Kind geht in England zur Schule, mein Kind geht in Frankreich zur Schule oder Italien. Aber nie bekämen sie dazu einen schriftlichen Nachweis.
Die meisten Roma wollen einfach unabhängig sein; sie wollen über ihr Leben selbst entscheiden, was sie tun oder nicht tun.
Nach dem sehr offenen Gespräch besuchten wir jetzt einen Kindergarten. Der Deutsch-Rumänische Freundschaftskreis Saarland hatte für die Kinder Malutensilien vorbereitet. Kaufwert von 10 Euro pro Kind; für rumänische Verhältnisse also eine sehr große Hilfe.
Etwa 3.000 Kinder erhalten zumindest einmal im Jahr eine solche Hilfe durch den Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreis Saarland. Entweder Malutensilien für Kindergarten-Kinder oder Schulmaterialien für Schulkinder.
Diese Hilfe wird immer persönlich/direkt von Helfern/innen aus dem Saarland an die Kinder in den Kindergärten und Schulen verteilt. Diesmal konnte das Baraq-Team dabei mitmachen. Es war echt schön die frohen und dankbaren Kinderaugen zu sehen.
Was wäre es so schön und gut, wenn mehr Roma-Kinder in die Schule gehen könnten. Es wäre eine sehr wichtige Vorausetzung dafür, dass die Armut der Roma-Familien Schritt für Schritt weniger würde. Von dem was wir bisher in den Roma-Siedlungen gesehen und gehört hatten und dem Besuch in dieser Schule ( 1. - 4. Klasse) liegen Welten und es rüttelt uns sehr auf. Warum wird dieser Weg über Kindergarten und Schule nicht auch für die Roma-Kinder geöffnet. Vorurteile, Voreingenommenheiten, kulturelle Traditionen, Familienstrukturen, mangelnde Hilfe der Regierung; vieles steht dabei im Weg und müßte "weggeräumt" werden.
Es ging weiter mit unseren Besuchen und Eindrücken in Covasint. Nach der Schule besuchten wir einen Roma-Baron, der uns vor der Tür seines imposanten Hauses empfing. Der Freundschaftskreis hatte den Besuch vorbereitet. Man hatte vereinbaren müssen, keine Fotos zu machen. Vor uns stand ein freundlicher, aber zurückhaltender, älterer Herr mit einem dunklen Anzug. Am schwarzen Mercedes neuesten Baujahres vorbei gelangten wir in das Haus. An der Tür sehr freundlich von einer Frau empfangen. Die Tradition "Schuhe ausziehen" brauchten wir nicht einzuhalten, darauf wies uns die Frau gleich lächelnd hin. Wir wurden in ein Besprechungszimmer geführt. Beste Ausstattung, alles mit Leder und wertvollen Stühlen. Wer möchte was trinken, war die erste Frage.
Er hieß uns nochmals in kurzen Worten herzlich willkommen und erwartete unsere Fragen. Wir fragten zuerst, was er für Träume für seine Kinder und Enkelkinder hat. Er sagte, er wünscht sich Glück und Gesundheit für sie.
Eines der Kinder möchte gerne Anwalt werden und eines der Mädchen Ärztin.
Wir fragten, wo seine Kinder wären; er antwortete, sie sind in Frankreich und sie würden auch dort zur Schule gehen.
Was sie denn dort machten?: Eine Tochter arbeitet im Haushalt. Der Sohn würde Zeitungen austragen.
Er war nicht gerade so gesprächig. Man mußte alles aus ihm quasi heraus ziehen.
Aber er war freundlich und auf die Frage von Willi, ob man wir ihn nochmals besuchen dürfen, antwortete er: Jederzeit, nach vorheriger Terminvereinbarung, weil er viel unterwegs wäre. Aber gerne könnten wir kommen.
Wir verabschiedeten uns und fuhren zu einem anderen Haus der Roma in einer Siedlung, die einen weitaus höheren Standard als die bisher besuchten Wohnsiedlungen hatte. Ja klar gesagt: der Unterschied war mehr als deutlich.
Der Baron fuhr mit seinem Mercedes mit.
Angekommen, wurden wir herzlich in ein großes Wohnzimmer herein gebeten. Es kamen immer mehr Roma dazu. Anfangs war die Diskussion sehr unspektakulär. Dann haben wir die für uns interessanten Fragen gestellt.
"Was denken Sie über Deutschland?":
Deutschland ? - Deutschland ist ein tolles Land, sagte der Gastgeber. Er fühle sich in Deutschland sehr wohl.
Warum halten sich so viele Roma in Deutschland auf?
Er antwortete: Viele Jugendliche arbeiten im Ausland. Mit dem Geld helfen sie ihren älteren Familienmitgliedern zuhause. Es mache ihn sehr froh, dass er jetzt auch in Europa arbeiten könne.
Was erwarten Sie von Rumänien in Bezug auf einen Mindestlohn, mit dem man leben kann?
Seine Antwort: Wenn es in Rumänien mehr Kindergeld gäbe, sowie in Deutschland, würden auch weniger Roma nach Deutschland gehen. Dann würden sie hier in Rumänien kleinere Häuser bauen, in denen sie leben könnten. Er erzählte uns, dass seine Mutter, die auch im Raum ist, nur 30 Euro Rente hat, wovon sie sich gerade heute ihre notwendigen Medikamente kaufen mußte.
Ein anwesender Mann erzählt, dass er 70 Euro Rente habe. Das Altersheim koste aber 500 Euro im Monat.
Wir fragten, wie wir das Problem in Deutschland und in Europa mit Sinti und Roma verändern könnten, vor allem in Bezug auf die Sauberkeit. Und wir erzählten, dass es unsere Bevölkerung sehr belasten würde, das die Sinti und Roma so schmutzige Verhältnisse bei uns machten und auch keine Rücksicht darauf nehmen würden.
Er erwähnte daraufhin selbst, dass die Kriminalität unter den Roma auch ihren Ruf schädigen würde. Er erzählte, dass es 50 verschiedene Gruppierungen von Roma und Sinti gäbe und er nannte mehrere Länder, welche bei ihnen bekannt seien, für ihre extreme Rücksichtslosigkeit in Bezug auf Ordnung und Sauberkeit. Genau dies wäre aber auch ihr Problem. Er sagte: Sehen Sie doch wie sauber es bei uns hier ist! Da konnten wir alle nur mit dem Kopf nicken.
Er weiter:
Die Behörde und das Sozialamt in Deutschland solle sich nicht einbilden, dass es die einzelnen Gruppierungen vor Ort interessiere, wenn diese auf gewisse Problematiken angesprochen würden. Jede Gruppierung habe quasi einen "Häuptling", einen Baron,
und wenn man ein Anliegen habe, dann müsse man sich an ihn wenden. Was er seinen "Leuten" befiehlt wird auch befolgt.
Wir fragten, wo wir denn einen solchen "Häuptling" antreffen könnten.
Unser Gesprächspartner antwortete: Einmal im Jahr. Man wisse nie wo genau. Alle Barone treffen siche irgendwo in der Welt, um die aktuellen wichtigen Themen zu besprechen.
Wir meinten: Ja, wenn das so einfach sei, dann wären wir gerne bei einem solchen Treffen mal dabei.
Daraufhin, sind wir von unserem Gesprächspartner mit Handschlag und Versprechen herzlich dazu eingeladen worden. Das wird bestimmt super spannend.
Wir nehmen diese Herausforderung gerne an und vielleicht können wir ein Modellhaus in Deutschland übernehmen, mit der Hilfe eines Barons. Dafür ein Konzept mit den Mitbewohnern organisieren, um ein Zusammenleben einfacher zu gestalten. Ich glaube, dass an dieser Stelle so manch einer gedacht hat, wir seien naiv.
Im Rahmen dieses Gespräches hatte sich noch heraus gestellt, dass unser Gesprächspartner, der Seelsorger bzw. Presbyter, wie er es nannte, einer Kirchengemeinde für Roma sei. Ihre Kirche gäbe es in der ganzen Welt, besonders auch in Amerika.
Nach dem langen Gespräch verabschiedeten wir uns. Alle unsere Gesprächspartner waren sehr freundlich und erklärten, dass sie sich auf ein Wiedersehen freuen würden.
Heute war das Programm ziemlich "stramm", denn jetzt ging es weiter zu einem Gespräch mit dem Preot der orthodoxen Kirche von Covasint. Er ist auch persönlicher Mitarbeiter des orthodoxen Bischofs von Arad. Hier die Anmerkung: der orthodxen Kirche in Rumänien gehören etwa 90 Prozent aller Menschen in Rumänien an.
Wir wurden freundlich empfangen und zuerst ging es in den Haus-Weinkeller. Willi kennt diesen Preoten auch schon seit 20 Jahren.
Nach dem Weinkeller-Besuch ging es in einen großen Raum, der voll war mit Fotos und kulturellen Teilen (Trachten, Werkzeuge usw.). Hier konnte man sehen, das der Pfarrer sehr engagiert ist. Er setzt sich für die Jugendlichen ein, aber weniger für die Sinti und Roma, sondern für die Rumänen selbst.
Er habe mehrere Projekte mit den Roma organisieren wollen, aber da wäre nie was draus geworden. Wir stellten ihm unser Projekt vor und ermeinte, dass es so keinen Sinn machen würde. Wir sollten unser Engagement und unser Geld sparen. Er erklärte eindeutig, das er von den Roma nichts hält, dass sie frech werden und angeblich seine Religion beleidigen würden.
Sie hätten ihn auch schon persönlich, in seinem eigenen Haus beleidigt.
Wir fragten, ob es damit was zu tun hätte, dass die rumänischen Frauen in den Haushalten von den Roma arbeiten müßten und dass deren Häuser viel größer und herrschaftlicher wären, wie die Häuser der Rumänen.
Wir fragten, ob er sich aus diesen Gründen diskriminiert fühlen könnte. Dies bestritt er. Er befürchtet, dass die Roma den Ruf, die Kultur und den Glauben in Rumänien beschädigen würden.
Wir merkten an dieser Stelle, dass das Gespräch nicht sinnvoll fortgeführt werden konnte. Wir hatten einen viel zu aufgelösten orthodoxen Pfarrer vor uns. Uns wurde schnell klar, dass er sich nicht für unser Projekt einsetzen würde.
Anmerkung: Uns beschäftigt, wieso der orthodoxe Pfarrer in Milova unser Projekt unterstützt, aber der orthodoxe Pfarrer in Covasint dagegen nicht.
Nach diesem aufregenden Tag ging es wieder in unsere Pension zurück. Wir waren alle stark in Gedanken wegen dieser heutigen Begegnungen.
Der Abend klang aus mit Freunden aus dem Saarland und Rumänien. Es war das traditionelle Freundschaftstreffen, zu dem der Freundschaftskreis jeweils am Ende einer Hilfseinsatz-Woche einlädt. Es war eine schöne Atmosphäre und wir konnten uns vom Tag etwas entspannen.