Tahrir-Platz (Midan at-Tahrir - "Platz der Befreiung")
Gewinner-T-Shirts von links nach rechts: Freedom (Mahmoud Ibrahim Mahmoud Ahmed), Muslim and Christian (M.I.M. Ahmed), Hand (Reem), 85 Million (M.I.M. Ahmed), Tahrir (Aya)
Erster Tag – 1.11.2013
Die Reise nach Kairo verlief normal – bis wir den Flughafen verlassen hatten. Dann ging es los. Die erste Kontrolle mitten auf der Straße. Zwei Panzer links und rechts. Nur ein schmaler Durchgang. Jeder wurde alle 2 km kontrolliert. Keiner kommt ohne Kontrollen in die Stadt.
Zurzeit ist Ausnahmezustand. Eine Ausgangssperre wurde verhängt. So etwas haben wir noch nie erlebt. Ob wir Angst hatten? Ja! Einer von unseren Leuten weinte und wir fragten uns, ob es richtig ist, was wir gerade tun.
Neben unserem Fahrzeug drei Gefangenentransporte, so wie wir sie aus dem Fernsehen kennen. Menschen halten ihre Köpfe zwischen den Gittern hindurch und schauen in unser Auto hinein. Leere, verzweifelte Gesichter voller Angst. Augen, die man so schnell nicht wieder vergessen kann. Da kamen wir zu dem Entschluss, dass das richtig ist, was wir hier gerade tun und dass man manchmal sehr sehr viel riskieren muss, auch wenn es das eigene Leben ist.
Als wir durch Kairo fuhren, konnte man spüren, wie das Herz der Stadt im Sterben liegt. Der Puls dieser Stadt schlägt nicht mehr so, wie er schlagen sollte. Im Hotel angekommen bemerkten wir, dass wir fast die einzigen Gäste waren. Wir aßen und gingen schlafen, denn schließlich waren wir sehr erschöpft von all diesen Eindrücken.
Zweiter Tag – 2.11.2013
Nach dem Frühstück trafen wir uns mit Mahmoud, unserem Designer und Projektleiter. Er ist unser erster Gewinner aus dem Wettbewerb. Nach dem Wettbewerb in Kairo hatte es sich so ergeben, dass Mahmoud jetzt mit uns zusammenarbeitet. Wir haben einen professionellen, treuen und sehr guten Designer an unserer Seite.
Dann kam unser Dolmetscher. In unserem Blog nennen wir ihn Reiseleiter, da wir seinen Namen nicht bekannt machen möchten. Er erzählte uns, dass er vielleicht eine neue Arbeit in Dubai bekommen kann. Zurzeit gibt es keine geregelte Arbeit in Kairo, auch nicht in ganz Ägypten. Klar, die Touristen bleiben aus. Das mit der Revolution sei kompliziert, sagte er. Es haben sich drei Gruppen gebildet. Die erste Gruppe sind die Mursi-Anhänger, die zweite ist das Militär und die dritte ist in der Mitte. Das sind die, die überhaupt nicht wissen, zu welcher Gruppe sie gehören sollen, denn sie wollen zu keiner der beiden anderen Gruppen gehören. Keine der beiden Gruppen, weder Mursi-Anhänger noch Militär, seien gut. Somit gibt es jetzt Kämpfe und Tote unter den eigenen Landsleuten. Grausam. Unser Reiseleiter hat dadurch schon Kollegen verloren, die einfach auf der anderen politischen Seite im Land stehen. Es gibt große Not durch Spaltung und Unsicherheit. Viele fragen sich, warum so viele Tote? Die ganze Revolution, warum das alles? Das denken sich sehr viele junge Leute.
Mursi war für den Staudamm in Äthiopien. Internationale Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen laufen Sturm gegen dieses Milliardenprojekt am Fluss Omo. Sie sehen das Leben einer halben Million Menschen in Gefahr – und ein fragiles Ökosystem bedroht. Werde der natürliche Lauf des Omo unterbrochen, verursache das Hunger und schüre Konflikte unter den Stämmen, die seit Jahrtausenden vom Fluss leben, prophezeit Peter Bosshard, Direktor der Umweltschutzorganisation International Rivers. Die Stauanlagen Gibe I und II setzten das Ökosystem bereits „unter starken Druck”. www.sueddeutsche.de – von Marcel Burkhardt. Darum wählte ein Teil Mursi wieder ab, denn mit dem Projekt würde es im Nil weniger Wasser geben und somit ganz große Probleme. Das wollen die Leute nicht. Denn wo das Wasser fehlt, entsteht großer Mangel und Not.
Der Reiseleiter meinte, dass die Menschen hauptsächlich deshalb auf die Straße gegangen seien. Das Militär half ihnen dabei. Jetzt sagt aber auch das Militär selbst, dass der Staudamm gut wäre. Dies spaltet die Wähler in drei Gruppen. Man merkt unserem Reiseleiter an, dass er müde ist von all dem. Wir arbeiteten weiter bis spät abends. Gegen 24:00 Uhr mussten wir unsere Arbeit niederlegen, da ab 1:00 Uhr nachts Ausgangssperre herrscht und niemand mehr auf der Straße sein darf.
Dritter Tag – 3.11.2013
Nach dem Frühstück ging es auch wieder direkt los. Wir diskutierten darüber, wie wir die Spenden von sechs Euro gestalten könnten. Das Baraq Team hatte vor eine Suppenküche von den sechs Euro Gewinnen in Kairo zu organisieren. Der Reiseleiter meinte aber, selbst wenn wir 1000 Suppen am Tag verteilten, würde dies nicht ausreichen, um die Menschen satt zu machen. Noch mehr als tausend hätten Hunger. Dann könnte es untereinander zu Schlägereien kommen.
Wir haben dann drei Projekte ausgewählt. Projekt eins… Projekt zwei… und Projekt drei…
Die Projekte sind schon in bestehenden Organisationen angesiedelt, die in Kairo einen sehr guten Ruf haben. Deshalb haben wir uns für diese drei Projekte vor Ort entschieden. Das heißt aber nicht, dass wir keine Eigenleistungen in Kairo machen werden. Aber was wir tun können oder auch nicht, das liegt an euch. Wir können nur eines vorgeben: den guten Willen, den Mut, die Liebe und die Hoffnung.
Wir spürten bei diesen ganzen Diskussionen, dass wir Visionäre sind und dass wir noch tausende, gar abertausende Visionären brauchen, damit diese Vision in Erfüllung gehen kann. Nachdem wir diese lange Diskussion beendet hatten und zufrieden mit unseren Ergebnissen sind, sagen wir euch jetzt Tschüss.
Vierter Tag – 4.11.2013
Guten Morgen. Auch heute ging es nach dem Frühstück wieder direkt los. Eine aus dem Baraq Team hatte anscheinend die Nacht genutzt, um nachzudenken. Sie hatte eine gute Idee. Es ging darum, die T-Shirts zu fotografieren. Wir wollten zuerst ein Fotoshooting mit jungen Leuten veranstalten. Wir merkten aber, dass das nicht so schnell umsetzbar ist, da viele junge Mädchen sich nicht fotografieren lassen.
Nun war die Idee eine Wäscheleine von einem Baum zum andern zu spannen. Alternativ könnten auch zwei Menschen links und rechts eine Wäscheleine festhalten und die T-Shirts werden auf die Wäscheleine gezogen. Das Ganze sollte am Tahrir-Platz in Kairo stattfinden. Der Reiseleiter schaute uns an, denn es lag ja an ihm, die Genehmigung zu besorgen. Wir sagten, dass es uns wirklich sehr sehr glücklich machen würde, den Platz auch mal von einer anderen Seite zu zeigen.
An diesem Abend gingen wir los, um eine Wäscheleine zu kaufen. Mit Glück konnten wir auch eine finden. In der Stadt war alles friedlich. Vom Eindruck des Vorabends ist Gott sei Dank nichts übrig geblieben. Wir bemerkten, dass wir fast die einzigen Touristen in Kairo waren. Ich sagte zu meinem Reiseleiter ironisch, jetzt gehört die Stadt endlich den Ägyptern alleine. Das fand er nicht so lustig. Der Abend ging zu Ende und morgen geht es weiter.
Fünfter Tag – 5.11.2013
Wir waren ganz gespannt. Nach dem Frühstück machten wir uns sofort an die Arbeit. Wir waren alle sehr aufgeregt, vor allem unser Reiseleiter. Der musste das Ganze organisieren. Wir sind losgefahren und hielten bei der Polizei an. Die schickte uns zu einer zweiten Polizeiwache und endlich sind wir bei der Polizei und Geheimpolizei gelandet.
Eine aus dem Baraq Team hatte angefangen, im Auto zu beten. Sie sagte: Lieber, lieber Vater, lass unser Vorhaben am Tahrir-Platz gelingen. Du hast doch sonst alle unsere Wünsche erfüllt. Unser Designer Mahmoud sagte, wenn Gott das alles will, dann wird er auch dies gelingen lassen. Somit wussten wir, wenn wir keine Genehmigung bekommen, würden sie nicht mehr an dieses Projekt glauben. Dies war für uns alle eine große Belastung – dieser große Gedanke Mahmouds!
Wir wollen es nicht so spannend machen. Der Reiseleiter ging los. Wir überlegten noch, ob jemand von unserem Team mitkommen sollte, aber er sagte zuerst nein. Dann kam er wieder zurück. Wir sahen ihn über die Straße gehen. Ganz ernst öffnete er die Autotür und sagte: Komm mit. Bevor er gegangen war, hatten wir ihm gesagte, er solle fragen, ob sie die T-Shirts sehen wollten.
Einer aus unserem Team begleitete ihn. Mit den T-Shirts über dem Arm erzählte der Reiseleiter mir, dass er seinen Reiseleiterpass hatte abgeben müssen. Das war für ihn das Schlimmste. Man spürte, dass er sehr aufgeregt war. Wir gingen über die Straße und um eine Ecke. Dort saßen normale Polizisten und die Geheimpolizei. Wir zeigten ihnen unsere T-Shirts. Eins der T-Shirts haben sie sehr genau angeschaut. Das T-Shirt durften wir nicht wieder mitnehmen. Natürlich fragte ich, warum? Er sagte, das ist eine Hand. Das Zeichen der Mursi-Anhänger mit vier Fingern. Ich sagte: Diese hat aber fünf Finger. Egal. Ich merkte, dass es kein Sinn hat. Ich würde das Projekt gefährden. Das T-Shirt lies ich dort.
Alle stiegen aus dem Auto aus und wir gingen los. Wir nahmen unsere Wäscheleine mit auf den Tahrir-Platz. Dort war ein Hilfspolizist, der uns Gott sei Dank behilflich war. Denn es kamen schon mehrere Leute auf den Tahrir-Platz um zu schauen, was wir da machen. Der Hilfspolizist hatte einfach angefangen, die T-Shirts auf das Seil zu hängen. Ich dachte noch: Wow, der ist aber schnell.
Gott sei Dank, denn als die T-Shirts einigermaßen auf dem Seil hingen, kamen immer mehr Leute und fingen an mit uns zu reden. Der Wind wehte. Wir konnten nicht sofort mit dem Fotografieren beginnen. Uns gelangen genau zwei Fotos. Da kam die Polizei und brach die Aktion sofort mit ernstem Ton ab. Wir wussten nicht, ob uns die Fotos überhaupt gelungen waren. Es war aber nichts zu machen. Hätten wir widersprochen, hätten sie uns vielleicht alles abgenommen und uns längere Zeit aufgehalten.
Deshalb waren wir sehr sehr traurig. Jetzt mussten wir ja wieder zur Geheimpolizei, um den Reiseleiterpass abzuholen. Wir alle waren sehr aufgeregt. Auch unser Reiseleiter, denn er hatte Angst um seinen Reiseleiterpass. Ich fragte ihn, ob ich mitgehen solle. Er sagte: Ja. Ich redete die ganze Zeit auf ihn ein, er solle sich keine Gedanken machen. Wir würden seinen Pass zurückbekommen! Wir gingen nochmals über die Straße und um die Ecke. Da saßen sie. Ernst schauten sie uns an. Was haben sie da gemacht, fragten sie uns. Wir haben gedacht, dass sie die T-Shirts anziehen und dann die Fotos machen. Nein, antwortete ich, wie soll das denn gehen? Ich habe meine Kleidung an. Wo sollte ich mich denn umziehen? Unser Reiseleiter bekam seinen Pass jedenfalls wieder zurück. Ich fragte den Polizisten, ob er das T-Shirt mit der fünffingrigen Hand behalten möchte, ich würde es ihm schenken. Er lächelte mich an und gab es mir zurück. Es war ein Spiel zwischen Ernst, Sympathie und Verbot.
Mithilfe unseres Gebets ist unser Vorhaben dennoch gelungen, und weil der Reiseleiter und das ganze Team den Mut und die Bereitschaft hatten diesen Weg zu gehen. Wir waren sehr aufgewühlt nach all diesen Erfahrungen.
Wir fuhren wieder in unser Hotel und besprachen unser weiteres Vorgehen. Mittlerweile war es 24:20 Uhr. Unser Designer und der Reiseleiter mussten uns jetzt wegen der Ausgangssperre verlassen, sonst wären sie nicht mehr nach Hause gekommen. Bis Morgen. Gute Nacht.
Sechster Tag – 6.11.2013
Dieser Tag war nicht ganz so erfreulich. Unser Telefon klingelte und man teilte uns mit, dass unser Shuttlebus für den Flughafen vor der Tür stehe. Unser Flug ginge nicht wie geplant am Freitag. Nun musste alles sehr schnell ablaufen. Wir waren sehr sehr traurig über diese Nachricht. Ja, jetzt habt ihr alles so erlebt, wie es uns passiert ist. Wir wünschen euch eine schöne Zeit. Euer Baraq-Team.
Ganz, ganz viel Freude mit unserer T-Shirtkollektion und dem Gewinner aus Kairo.
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